Die künstlich geschaffenen Biotope des Liether Moorvereins.

Von Armin Püttger-Conradt

Einst war das heutige Liether Moor mit einer mehrere Meter dicken Torfschicht bedeckt. Morast und wild verlaufende Wasserschlenken machten das Gebiet für Menschen unbetretbar. Nur auf den sandigen Dünenrücken, die sich hindurchzogen, konnten die damaligen Rentierjäger in den Sommermonaten an den Ufern des Esinger Sees lagern, inmitten einer Urnatur, wie sie die letzte Eiszeit hinterließ.

Weithin leuchteten die silbernen Samenstände der Wollgräser. Gagelsträucher und Sumpfporst, Moosbeeren und Heiden erhoben sich, während abgestorbene Birken und Weiden unheimliche Gestalten formten. Über allem schwebten Libellen, Schmetterlinge, und eine artenreiche Vogelwelt mit ganz eigenartigen dem Moor angepassten Überlebensstrategien belebte die Wildnis mit melodiösen Gesängen oder einzigartigem Verhalten. Brachvögel und Sumpfschnepfen lebten zwischen fleischfressenden Pflanzen wie dem Sonnentau.

Unheimlich wirkende Nebel, finstere Tümpel mit trügerischem Schwimmrasen, bestehend aus Torfmoosen, durch die so mancher Jäger oder Sammler einbrach und rettungslos versank, verschafften der Landschaft den Ruf des Unheimlichen, von Geistern belebten. Trügerisch waren die Pfade, gespenstisch die verkrüppelten Bäumchen, die ab einer bestimmten Größe ihr Leben beendeten, da der weiche Boden sie nicht mehr trug.

Als letztes verlandete der in einer Senke befindliche mit eiszeitlichen Schmelzwassern gefüllte Esinger See, dessen Ufer besonders am östlichen Rand noch immer zu erkennen sind, ebenso im östlichen Hang der Kalkgrube. Nach dem weitläufigen Abbau dicker Torfschichten nach Entwässerungsprogrammen der letzten Jahrhunderte blieb die Seensenke als tiefliegende feuchte Binsenwiese übrig, wenn auch ohne offene Moorgewässer.

Seit Beginn des neuen Jahrhunderts bemüht sich der Betreuungsverein Liether Moor e. V. nicht nur um den Erhalt der Restlandschaft Moor, sondern auch um deren Renaturierung, insbesondere in Form von der Schaffung neuer landschaftstypischer Biotope, also Lebensräume, die der ursprünglichen seit langem vernichteten Naturlandschaft ähneln. Ziel ist es hierbei, ein Landschaftsbild zu schaffen, wie es einst gewesen ist und besonders der moortypischen Tier- und Pflanzenwelt Refugien schaffen soll, in der sie vor Ausrottung bewahrt bleiben, ja sich wieder neu ansiedeln und vermehren.

Das erste vom Verein angelegte Biotop ist eine schlichte Torfkuhle, entstanden aus einem ehemaligen Torfstich. Trotz ihrer Kleinheit weist sie dennoch all die typischen Gegebenheiten auf, die ein Moor ausmachen. Wasser mit saurem PH-Wert, Torfmoose, Sphagnum genannt, bildet Schwingrasen, die das Kleingewässer bedecken. Welch kleines Paradies für Amphibien und Reptilien, Insekten und Weichtiere. Man mag nur eine halbe Stunde am Rand sitzen, so lassen sich die Bewohner dieses Kleinods nach und nach sehen und beobachten. Die Zeit vergessend lebt man in einer kleinen Welt, in der die Natur das Sagen hat und sich ihr eigener kleiner Kreislauf abspielt.

Schon bald sollte ein erheblich größeres Projekt folgen: Die Verschließung von Grüppen um ein flaches wechselfeuchtes Stillgewässer zu schaffen, ideal für Lurche und Schlangen. Dem schloss sich das Ausheben einer eintausendfünfhundert Quadratmeter großen Teichanlage an. In nur ganz wenigen Jahren entwickelte sich eine beinahe undurchdringliche ursprüngliche Vegetation an Schilf und zahlreichen Uferpflanzen, worin eingebettet und abgeschieden der Teich vor sich hinträumt, belebt von zahlreichen Tieren, die sich wieder angesiedelt haben. Zwergtaucher, Reiherenten, Rohrsänger und Schwirle und sogar ein Kranichpaar haben sich niedergelassen und leben hier ungestört ihr geheimes Leben, von dem sie zumeist durch ihre verschiedenartigen Lautgebungen auf sich aufmerksam machen. Besonders der auf- und abschwellende Chor der Wasserfrösche ist weithin zu vernehmen und lässt ein nahes versteckt liegendes Paradies erahnen, wo Ringelnattern auf der ruhigen Wasseroberfläche ihre Bahn ziehen auf der Jagd nach von Enten als Laich eingetragenen Fischchen oder einem für sie schmackhaften Lurch.

Eingerahmt ist dieses Biotop mit dem Aushub in Form eines 355 Meter langen Knickwalls, der mit siebenhundert Pflanzen bestückt wurde und somit einen weiteren Mosaikstein zum Erhalt der biologischen Artenvielfalt ausmacht.

Es folgten zwei weitere Teichanlagen erheblicher Größe von 2.500 und 300 Quadratmetern, Anwallungen zum aufstauen der Nässe, Bepflanzungen mit Gagelsträuchern, Besenheiden und Sumpfdotterblumen. Es bildeten sich Trockenrasen mit Mossen, dazu wurde eine sogenannte Pflanzenapotheke mittels Dauersaat angelegt. Welche Farbenpracht vermittelt diese Fläche, wenn die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen darauf scheint und die unzähligen kleinen Blüten zu erleuchten bringt, während die Gesänge unzähliger Vögel ertönen und sich ein wahres Stelldichein bieten, wo jeder Gefiederte das Seine lautstark dazu beiträgt. Schutzgehölze mit 1.300 gepflanzten Bäumen tragen mit dazu bei, wie auch zahlreiche angebrachte Nisthilfen.

Nach diesen ersten Erfolgen begann das erste Großprojekt von wahrlich landschaftsumwälzendem Ausmaß. Da wo sich einst der Esinger See erstreckte und eine eintönige Binsenwiese hinterließ, die beständig einen guten Grundwasserstand aufwies, wurde ein Mooraugen- Schlenkensystem von 1,600 Quadratmetern geschaffen, wo sich ein Moor auf vorbildliche Weise neu heranentwickelt. Nach dem Vorbild des sogenannten Ewigen Meeres in Ostfriesland entstand hier im Liether Moor ein Gegenstück in kleiner Ausführung. Bereits nach einem Jahr waren die Baggerspuren der Arbeiten von neuer Vegetation überwachsen. Romantisch fügen sich zwei kleine Moorseen mit nach allen Seiten abstrebenden stark mäandrierenden Schlenken in die einstige nacheiszeitliche Seenfläche, über die Kiebitze gaukeln und Limicolen, kleine Wat- und Schnepfenvögel voller Tatendrang ihren Geschäften nachgehen, was ihnen nur dieser künstliche Eingriff helfender Hände ermöglicht.

Damit ein höchstmöglicher Wasserstand gewährleistet bleibt, wurde der umfangreiche Aushub hufeisenförmig um das gesamte Gelände zu einem Wall gehäuft, der zukünftig ein naturnahes Dünengebiet wie es sich auch früher zwischen den Mooren befand, in Form eines Trockenbiotops bildet.

Mit großer Anteilnahme des Liether Moorvereins und auch auswärtiger Beobachter, die das Gebiet von einer Beobachtungsplattform einsehen, wird die Entwicklung beobachtet und wunderbare Neu-Ansiedlungen verschwundener Arten festgestellt. Man erlebt hier ein Aufgehen in der Natur aus Menschenhand in einer Landschaft, die Menschen einst durch intensive negative Eingriffe bis hin zur Ausrottung vollzogen haben und was nun wieder der Natur zurückgegeben wird, auch zur Freude und Erbauung der Menschen, die sich mit Ferngläsern und Zeit zur Muße versehen spannenden Beobachtungen hingeben.

Ermutigt durch auch diesen Erfolg wurde dann zuletzt 2021 eine Verdoppelung des Mooraugen-Schlenkensystems in östliche Richtung vorgenommen, sodass nun ein ansehnliches Gebiet einer gelungenen Renaturierung hin zu einem sich neu entwickelnden Moor entgegengesehen werden kann. Schon schwimmen erste Teppiche von Torfmoosen, die für die Moorbildung verantwortlich sind, auf den Schlenken und werden sich während kommender Jahre immer mehr verdichten. Allein schon der Anblick dieser wunderbaren sich entwickelnden Gegend mit ihren vielfältigen Lebensformen hat einen Wert für sich. Besieht man sich die vielen kleinen Dinge in ihrer Unerschöpflichkeit, über zahllose Tiere und Pflanzen bis hin zum Bild der Landschaft mit ihren urwüchsigen Birken, die ungebändigt in wilden Formen ihr Auskommen suchen, so werden dem dafür Empfänglichen Impressionen geboten, die aufgrund des selbst erlebten keine Natursendung im Fernsehen wettmachen kann.

Das auch an die Kinder gedacht wird, zeigt die Planung eines Kinderwalds, in dem die Kleinen spielerisch an die Natur und ihrer Vielfalt herangeführt werden sollen. Insgesamt gesehen ist noch viel zu tun. Und da der Liether Moorverein Eigentümer all dieser Flächen ist, so kann auch für die Zukunft noch viel weiteres für die Artenvielfalt in angestammten Lebensräumen getan werden.

Mitglied werden

Der Mitgliedsbeitrag beträgt 15 € jährlich, für Kinder bis 16 Jahren 5 €.

Naturkundliches Gutachten

Landschaftsanalyse und Darstellung über das Betreuungsgebiet des Liether Moor-Vereins

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Links

Verein Liether Kalkgrube e.V.
www.lietherkalkgrube.de

Verein Schutz des Tävsmoores e.V. www.taevsmoor.de

Verein für extensive Robust­rinder­haltung im Liether Moor e.V. www.robustrinder-lieth.de